Mit Schreiben vom 29. Mai 2024 hat die Bürgerinitiative Gegenstrom am Gehrdener Berg um eine Stellungnahme zum Multiterminal-Hub gebeten. Diesem Wunsch haben wir gerne entsprochen und veröffentlichen Anfrage und Antwort an dieser Stelle.
Stellungnahme
Sehr geehrte Frau Ludwig,
sehr geehrter Herr Jerichow,
sehr geehrte Bürger und Bürgerinnen der BI Gegenstrom,
herzlichen Dank für Ihr Engagement! Bitte behalten Sie dieses unbedingt bei und setzen Sie sich auch über dieses konkrete Anliegen hinaus konstruktiv für Themen ein, die Ihnen wichtig sind! Langfristig ist das am besten und nachhaltigsten innerhalb der demokratischen Parteien möglich, weswegen ich Sie herzlich einlade! Treten Sie einer demokratischen Partei bei, die ihren Werten und Vorstellungen bestmöglich entspricht. So haben Sie die Möglichkeit an vielen gesellschaftlichen Themen aktiv gestaltend mitzuwirken.
Auch wenn ich in der Sache nicht mit Ihnen übereinstimme und Ihr Ansinnen einer „klaren Positionierung gegen die Umsetzung des Multiterminal-Hub am Gehrdener Berg“ nicht erfüllen kann, stellt Ihr bürgerliches Engagement einen wichtigen Baustein in unserer lebendigen Demokratie dar.
Die nachfolgende Stellungnahme stellt die in der Ratsgruppe abgestimmte gemeinsame Position dar. Sie ist nicht mit den Parteigremien der Parteien abgestimmt, sondern gibt ausschließlich unsere persönliche Position als Ratsmitglieder wieder.
Zur Sache:
Vorweggeschickt sei, dass ich die Ausführungen der BI Gegenstrom so verstehe, dass weder die faktische Notwendigkeit der Energiewende noch der Leitungen in den Süden in Frage gestellt werden. Das ist eine gute Basis für eine sachliche Debatte.
Vor genau 10 Jahren, im Jahr 2014 haben wir uns in Gehrden bereits mit dem Thema Südlink befasst. Damals haben sich alle Beteiligten und Betroffenen dafür ausgesprochen eine Erdkabelvariante umzusetzen und Freileitungen abzulehnen. Mit dieser Entscheidung ging einher, dass neben dem bereits bestehenden Drehstromnetz ein zusätzliches Gleichstromnetz aufzubauen ist.
Mit dieser Entscheidung einher geht die Notwendigkeit die unterschiedlichen Netze und Systeme zu verknüpfen. Ich gehe davon aus, dass auch hier Einigkeit besteht, dass dies für den Aufbau eines stabilen, flexiblen und resilienten Netzbetriebs unabdingbar ist.
Soweit ich mich einlesen konnte, geschieht die Verknüpfung der Leitungen bei heute üblichen Oberspannungs-Drehstrom-Leitungen in überirdischen Umspannwerken. Ein solches ist Teil der Planungen in diesem Verfahren. Weitere Elemente in diesem System sind eine DC-Schaltanlage, sowie eine Konverter-Station. Im Zusammenhang mit der Gleichstromtechnologie ist die DC-Schaltanlage das Element, mit dessen Hilfe die gegebene Volatilität erneuerbarer Energien abgefangen und ein stabiler Netzbetrieb sichergestellt werden kann.
Die in den Protesten besonders stark kritisierten Hallen und weitere Gebäude umfassen nach meinem Verständnis der zur Verfügung stehenden Informationen ca. 30% der in Rede stehenden Gesamtfläche von 40 ha. Das entspricht einer überbauten Fläche von 12 ha.
Auch erscheint es mir absolut nachvollziehbar, dass diese Art Infrastrukturanlagen mit erheblichem Abstand zu Industrie- und Gewerbegebieten errichtet werden. Im Fall eines katastrophalen Schadenereignisses stellt das ein wichtiges Schutzmerkmal dar.
Eine Beschäftigung mit den mir bisher bekannten, durch sie als BI, den CDU-Stadtverband Gehrden und von den Grünen Gehrden vorgebrachten Argumenten hat diese für mich als nicht schwerwiegend genug erwiesen, um das Vorhaben ebenfalls abzulehnen.
Die Ausführungen von Dr. Hartwig Drechsler vom Ingenieurdienst Drechsler (Göttingen) stellen ebenfalls nur allgemeine theoretische Abschätzungen dar. Die Aussage, dass in allen Schutzgütern (Boden, Wasser, Klima/Luft, und Landschaft), sowie der Siedlungsentwicklung mit Auswirkungen zu rechnen ist, ist immer und für jedes Vorhaben gültig.
Die Argumente überzeugen derzeit in der Sache nicht. Dies gilt gleichermaßen für den Ton, in dem sie vorgetragen werden.
Wenn ich die Ausführungen der als Anlage beigefügten Unterlage richtig verstehe, ist das wichtigste vorgebrachte Argument die Außerachtlassung des Hubs und seiner Umweltauswirkungen bei der Festlegung der Präferenzräume. Das der Hub und seine Umweltauswirkungen bei der Festlegung der Präferenzräume nicht berücksichtigt werden erscheint mir jedoch nachvollziehbar, da er nach aktueller Berichterstattung auch durch einen Abzweig außerhalb des eigentlichen Präferenzraums angebunden werden kann. Auch wird ein Hub lediglich an den Start- und Endpunkten der Leitungen, sowie, wie im Fall Gehrden, an Verknüpfungspunkten benötigt.
Die auf der Webseite www.gegenstrom-gehrden.de vorgetragene Kritik, bestehend aus fünf Punkten beinhaltet wenig Belastbares. Fakt ist, dass Infrastruktur nicht ohne Kosten hergestellt werden kann. Mit der Entscheidung von 2014, die Leitungen als Erdkabel zu verlegen (Für Südlink scheint das auch nicht mehr änderbar, wenn das Vorhaben Energiewende und Dekarbonisierung nicht in Gänze gefährdet, oder zumindest wesentlich verzögert werden soll.) wurden bewusst höhere Kosten und stärkere Eingriffe in Kauf genommen, um in der Bevölkerung insgesamt eine bessere Akzeptanz für diese Maßnahmen zu erreichen. Aus der Tatsache, dass dieses Verfahren in Deutschland erstmalig in diesem Maßstab eingesetzt wird, ergibt sich folgerichtig, dass es keine lange Historie wissenschaftlicher Studien gibt. Präzedenzfälle für Multiterminal-Hubs hingegen werden allein in Norddeutschland mit den Anlagen HeideHub, NordWestHub und NordHub geschaffen.
Für die aus Bau und Betrieb entstehenden Einschränkungen und wirtschaftlichen Verluste werden Entschädigungen in nennenswerter Höhe und Umfang geleistet. Für die Landwirte in der Region Hannover haben die Bauernverbände, darunter das niedersächsische Landvolk, bereits im Winter 2022 eine entsprechende Rahmenvereinbarung geschlossen. (HAZ, 22.12.2022)
Ob wir tatsächlich klug beraten sind die Diskussion oberirdisch versus Erdkabel nochmal aufzumachen weiß ich nicht. Ökonomisch kann ich den Gedanken gut nachvollziehen. Wir haben diese Diskussion jedoch vor 10 Jahren sehr intensiv geführt und es gab auch dazu erheblichen Widerstand aus der Gehrdener Bürgerschaft.
Plakate wie „Größenwahn gehört an die Autobahn“ lehne ich kategorisch ab. Das Projekt der Energiewende ist von globaler Bedeutung und der notwendige Leitungsbau stellt ein Projekt dringlicher nationaler Bedeutung dar. Das hat nichts mit Größenwahn zu tun.
Das Plakat „Wenn Tennet unsere Felder zerstört, ist das ziemlich unerhört!“ stellt keine sachliche Auseinandersetzung dar, sondern dient in erster Linie der Emotionalisierung der Debatte. Der Zusatz „Kein Raubbau im Landschaftsschutzgebiet“ verstärkt diesen Zweck durch die Verwendung des Begriffs „Raubbau“. Meiner Auffassung nach sind Tagebaue wie Garzweiler II Raubbau, da in solchen Fällen Landschaften und sehr alte Waldbestände wie Hambacher Forst unwiederbringlich zerstört werden.
Das Plakat „Dieses Land und diese Flur bleiben was sie sind: Natur!“ verkennt vollständig, dass es sich beim gesamten Stadtgebiet Gehrden um eine seit Jahrhunderten durch den Menschen geprägte Kulturlandschaft handelt.
Nach meiner festen Überzeugung sind wir, die wir heute Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen die letzten die die notwendigen Veränderungen auf den Weg bringen können, um unseren Kindern und Nachfahren eine Chance auf ein Leben in Freiheit, mit der Möglichkeit zur persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltung zu sichern.
Gerade mir als Vorsitzendem der Ratsgruppe und Mitglied der Partei Die PARTEI, deren bekanntestes Stilmittel in der politischen Auseinandersetzung Satire ist, macht es große Sorgen, wenn der CDU-Stadtverband Gehrden nach der Tennet Infoveranstaltung im Ratskeller auf Instagram nur zu einem populistischen „So nicht!“ fähig ist. Eine Sprachwahl wie „Wir sind entsetzt über die Planungen….“ (Internetseite CDU-Gehrden), oder die Rede von „erbitterten Widerstand“ (Webseite Grüne-Gehrden) trägt nicht zu einer sachlichen politischen Debatte bei.
Wir werden das Thema weiter sehr aufmerksam verfolgen und uns einzeln, oder gemeinsam an geeigneter Stelle und in geeigneter Form an der Debatte beteiligen.
Sehr geehrte Frau Ludwig,
sehr geehrter Herr Jerichow,
sehr geehrte Bürger und Bürgerinnen der BI Gegenstrom,
uns ist bewusst, dass dies nicht die Antwort ist, auf die Sie gehofft haben. Uns ist ebenso bewusst, dass unsere Auffassung im politischen Gehrden nicht die der Mehrheit darstellt. Für uns ist aber das Projekt Energiewende von so massiv übergeordneter Wichtigkeit, dass dessen Gefährdung, oder gravierende Verzögerung angesichts der vergleichsweise überschaubaren und durch Entschädigungszahlungen kompensierten Folgen nicht gerechtfertigt erscheint.
Ich bedanke mich nochmals für Ihre Anfrage und hoffe in konstruktivem Austausch bleiben zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Fromm
Vorsitzender der Ratsgruppe Die PARTEI / Die Linke.