Die Haushaltsrede, die nie gehalten wurde
Die Haushaltsrede, die nie gehalten wurde

Die Haushaltsrede, die nie gehalten wurde

Anlässlich seiner letzten Sitzung des Jahres 2023, am 20. Dezember, hat der Rat der Stadt Gehrden den Haushalt 2024 verabschiedet. Das ist auf der einen Seite richtig und wichtig, weil so die Handlungsfähigkeit des Bürgermeisters und der Verwaltung sichergestellt ist. Zwar konnte ich aufgrund beruflicher Verpflichtungen nicht an der Sitzung teilnehmen, habe aber bereits im Vorfeld signalisiert, dass die Ratsgruppe Die PARTEI / Die Linke dem Haushalt zustimmen kann. Mein Fraktionskollege hat sich schließlich für eine Enthaltung bei der Abstimmung entschieden, wie er in seinem Blog darlegt.

Wir konnten das nicht, weil der Haushalt ausgeglichen, oder gar positiv ist – im Gegenteil! Mit einem Fehlbetrag von rund 14 Mio. EUR für das kommende und anwachsend auf ca. 20 Mio. in der mittelfristigen Finanzplanung, steht Gehrden finanziell so schlecht dar, wie niemals zuvor.

Wir konnten das auch nicht, weil Verwaltung und Fraktionen in den vorhergegangenen Haushaltsberatungen und Sitzungen des Arbeitskreises Haushaltskonsolidierung irgendetwas eingefallen wäre, um dieser Entwicklung strukturell etwas entgegenzusetzen – Im Gegenteil!

Wie man der Veränderungsliste leicht entnehmen kann, gehen die Einsparungen in aller erster Linie zu Lasten der Anträge des Jugendparlaments und der Ortsräte, sowie des Umwelt- und Klimaschutzes. Nun kann man bei einem Teil sicher argumentieren, dass die Anträge Leistungen betreffen, die in anderen Haushaltsposten bereits enthalten und daher redundant sind. Aber das gilt halt nicht in Gänze.

Im Gegensatz zur Fraktion der FDP haben wir dem Haushalt nur deswegen zustimmen können, weil die aus unserer Sicht wichtigen Themen, wie Schulentwicklung und Schulbauten, sowie die für die Jugendarbeit so lange gewünschte und erforderliche Outdoor-Anlage im Jahr 2024 mit der Verabschiedung dieses Haushalts weiter vorangebracht werden können. Es war für uns nie eine Option den Neubau der Grundschule Am Castrum in der jetzigen Form, inklusive des Ersatzneubaus der Festhalle, infrage zu stellen.

Was also tun?

Nun, der einfache Weg ist, auf die nicht ausreichende Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Land zu schimpfen und dort mehr Geld zu fordern. So haben es in diesem Jahr alle Fraktionen getan. Oder man schimpft auf die Region Hannover, die nach Ansicht der Fraktionen der CDU, SPD und Grünen haushälterischen Spielraum zur Entlastung der Kommunen gehabt hätte, anstatt die Regionsumlage erneut anzuheben. Zumindest letzteres lässt vollkommen außen vor, dass es im Gehrdener Rat durchaus kostspielige Wünsche an die Region gibt. Der Ersatzneubau des Klinikums, oder die Verlängerung der Linie 500 an die S-Bahn in Weetzen seien beispielhaft genannt.

So richtig der Verweis auf die mangelhafte kommunale Finanzausstattung durch die übergeordneten Ebenen auch ist, ist er auch ein Ausdruck fehlender eigener Ideen und von Mut- und Fantasielosigkeit, selbst Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmesituation zu ergreifen.

Vor zwei Jahren, im Anschluss an meine erste Haushaltsberatung habe ich in meiner damaligen Haushaltsrede bereits betont: „Das Grundproblem unseres Haushalts ist nicht auf der Ausgabenseite zu finden, sondern liegt ausschließlich auf der Einnahmen-Seite.“

Also schaue ich, was die Mehrheitsfraktionen CDU und Grüne, SPD und FDP in den vergangenen beiden Jahren an Initiativen in den Rat eingebracht haben, um diese seit vielen Jahren bekannte Thematik zum besseren zu wenden. Was ich finde, ist NICHTS! – Im Gegenteil!

Welche Möglichkeiten hat eine Kommune, hat Gehrden, um die Einnahmeseite zu verbessern?

Im Prinzip sind es sechs Stellschrauben.

  1. Die Ausweisung neuer Baugebiete und das damit verbundene Bevölkerungswachstum sorgt für höhere Zuweisungen, da diese zum Teil mit der Einwohnerzahl gekoppelt sind.
  2. Die Erhöhung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuern kann vor Ort entschieden werden und stellt das flexibelste Instrument dar.
  3. Die Erhöhung anderer kommunaler Steuern, wie Hunde und Vergnügungssteuer sind wie die Hebesätze ein lokales Instrument, allerdings mit nur sehr geringer Wirkung.
  4. Die politische Arbeit aller beteiligten Parteien (Fraktionen und Verwaltung) in allen politischen Gremien auf allen politischen Ebenen zugunsten einer besseren Finanzausstattung durch die übergeordneten Ebenen Region, Land und Bund ist unerlässlich und richtig, wird aber nicht lokal entschieden und ist mit einem sehr langen Entscheidungshorizont verbunden.
  5. Eine zielgerichtete Wirtschaftsförderung setzt sich für die Ansiedlung profitabler Gewerbebetriebe mit dem Ziel der Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und der Erhöhung der Gewerbesteuereinnahmen ein.
  6. Die Stadt tritt selbst als Wirtschaftsunternehmen auf und erzielt aus gewerblicher Tätigkeit Gewinne, die dem städtischen Haushalt zur Verfügung gestellt werden.

Was davon haben wir in der Vergangenheit getan und wie sind wir damit gefahren?

Die Ausweisung neuer Baugebiete, verbunden mit der Gewinnung zahlreicher Neubürger, war jahrelang Gehrdens Strategie. Da das aber mit einer auf Verschleiß bewirtschafteten Infrastruktur zusammengetroffen ist, hat sich das nicht als finanziell sinnvoll erwiesen.

Für die Erhöhung der Hebesätze fehlte den großen Fraktionen in diesem Jahr, trotz der Aussicht auf Einstimmigkeit, sogar der Mut die Grundsteuern in der Größenordnung „eine Packung Zigaretten im Monat“ zu erhöhen.  Immerhin war ausreichend Mut vorhanden, die Einnahmen aus der Vergnügungssteuer durch eine entsprechende Erhöhung um 6.000,00 EUR zu verbessern.

Bleibt also, und auch das habe ich in meiner Haushaltsrede im Januar 2022 bereits ausgeführt, die Ansiedlung zusätzlichen Gewerbes ein wichtiges Ziel. Welches Gewerbe, aus welcher Branche und in welcher Größe muss gewiss vor dem Hintergrund des Standortes Gehrden gut überlegt werden, aber sich dem Gedanken zu versperren und Gewerbegebiete als Umweltverschandelung zu geißeln, wie es der Vorsitzende der größten Ratsfraktion einst tat, ist nah an der politischen Arbeitsverweigerung.

Energiewende als Ausweg

Wie sieht es also abschließend mit eigener wirtschaftlicher Tätigkeit aus? Eine ganze Reihe von Kommunen in ganz Deutschland haben sich in den letzten Jahren auf diesen Weg begeben und sind Energieerzeuger aus erneuerbaren Quellen, primär Photovoltaik und Windenergie, geworden. In Gehrden ist dieses Geschäft im Moment in den Händen der Energieversorgungsunternehmen und der ENER:GO. Auch wenn ich weiß, dass der Bürgermeister dies sehr genau auf dem Schirm hat, war es für mich eine spannende Erfahrung, dass ein entsprechender Prüfantrag an die Verwaltung durch den Rat 2023 abgelehnt wurde und seitdem das Thema Erhöhung der Einnahmen nicht mehr debattiert wurde.

Aber wie sagte ein Gehrdener Fraktionsvorsitzender und Träger des Bundes-Verdienstkreuzes während der Haushaltskonsolidierung: „Das sind alles Gedanken kleiner Parteien. Entscheiden tun das Gott sei Dank die Großen.“.

In diesem Sinne, und weil diese Haushaltsrede nie gehalten wurde, schließe ich mit Blick auf die großen Fraktionen: „Sie haben es nicht probiert und dabei festgestellt, dass es nicht geht.“

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