Haushaltsrede 2022/23
Haushaltsrede 2022/23

Haushaltsrede 2022/23

gehalten auf der Ratssitzung am 26.01.2022/es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Erster Stadtrat,
sehr geehrte Abgeordnete des Rats, sehr geehrte Mitbürger*Innen,

eine häufig verwendete Phrase lautet: „Ein Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik!“.

Wir beschließen heute den Doppelhaushalt für die Jahre 2022 und 2023 und damit müssen wir die Frage beantworten, welche Politik wir wollen.

Meine Erkenntnis aus den Gesprächen im Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung und angesichts des vorliegenden Entwurfes ist: Wir wollen eine hasenfüßige Politik, die aus Angst vor der Vergangenheit die notwendigen Weichen in die Zukunft nicht stellt.

Das Grundproblem unseres Haushalts ist nicht auf der Ausgabenseite zu finden, sondern liegt ausschließlich auf der Einnahmen-Seite. Hier ist zuvorderst die katastrophale und ignorante Mittelausstattung der Kommunen seitens des Bundes und des Landes als Ursache zu nennen. Seit Jahren werden auf den übergeordneten politischen Ebenen Entscheidungen getroffen, die direkte Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte haben, ohne die entsprechenden Mittel im notwendigen Umfang zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Dilemma stehen alle Kommunen dieser Republik. Das ist eine Schande.

Dementsprechend ist es in der Kommune aber umso dringlicher, sich mit der Einnahmenseite zu befassen.

In der Vergangenheit ist uns dazu eingefallen, durch Bevölkerungszuwachs die Steuerzuweisungen der Einkommenssteuer zu erhöhen. Diese, durch zwingend notwendige Infrastruktur Anpassungsmaßnahmen offenkundige Milchmädchenrechnung ist nicht aufgegangen.

Wir haben uns auch in diesem Jahr mit der Einnahmenseite befasst. Eingefallen sind uns:

  • Steuererhöhungen von 1.136.400 EUR
  • Erhöhung Kita-Gebühren um 12.400 EUR

Nicht eingefallen ist es uns, einen Weg zu diskutieren, wie wir als Kommune signifikant mehr Gewerbesteuern ermöglichen können. Wir müssen uns darüber klar werden, welche Stärken die ortsansässige Wirtschaft hat, wie wir diese als Kommune weiter stärken können und wie es gelingt auf diesem Weg weitere Betriebe anzusiedeln. Hierzu ist es notwendig Stadt- und Wirtschaftsentwicklung gemeinsam zu denken und einen deutlichen Schwerpunkt zu setzen.

Ein Weg, und darüber habe ich am Montag, den 17.01. ein erstes Gespräch mit unserem Regionspräsidenten Steffen Krach geführt, kann sein die Investition von ca. 200 Mio. EUR in das Robert-Koch-Krankenhaus als Leuchtturm-Projekt zu nutzen, um den Medizinstandort Gehrden im Westen der Region Hannover zu stärken und zukunftssicher auszubauen.

Eine Verlegung des Klinikums an den östlichen Stadtrand, angrenzend an das Gewerbegebiet Gehrden Ost hätte gewaltige Vorteile für das Klinikum selbst, wie auch für die Stadtentwicklung. Der auf diesem Weg frei werdende Standort könnte zu einer Rehaklinik weiterentwickelt werden. Einen privaten Betreiber vorausgesetzt, entstehen hier Gewerbesteuereinnahmen in nennenswerter Größenordnung, sowie eine Stärkung der innerstädtischen Wirtschaft, da Reha-Patienten in der Regel länger verweilen und mobiler sind, sodass die Innenstadt einen deutlichen Belebungsschub erwarten kann. Auch dies verbessert die städtischen Finanzen durch zusätzliches Gewerbesteueraufkommen.

In meinem Gespräch mit dem Regionspräsidenten habe ich bestätigt bekommen, dass der Gedanke einer Reha-Klinik für die Region interessant ist.

Ich fordere Rat und Verwaltung daher auf, mit der Region auf allen Ebenen in Verbindung zu treten, um diese historische Chance für unsere Stadt nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Lassen Sie uns nicht den Fehler des MCG wiederholen, das einzig aus nostalgischen Gesichtspunkten am Standort saniert und zum Teil neugebaut wurde, anstelle die grundlegenden Probleme durch eine Standortverlegung zu lösen. Ein Ersatzneubau des Klinikums am jetzigen Standort führt in die Sackgasse und verhindert eine erstrebenswerte Stadtentwicklung.

Sollte sich diese Chance zerschlagen, so ist im Rahmen der Aufstellung des Mobilitätskonzeptes unbedingt eine Anbindung des Krankenhausstandortes durch eine neue Straße von Süden zu prüfen, um den Krankenhaus-Verkehr aus dem Ortskern zu nehmen.

Die jetzt vorgesehene Erweiterung des Gewerbegebietes Ost wird nach heutiger Sachlage keine spürbare Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens bedeuten. Es erfolgt keine Neuansiedlung, sondern es wird einem einzelnen Unternehmen die lange nachgefragte Möglichkeit zu Erweiterung gegeben. Das ist richtig und gut, aber nicht wirkungsvoll genug.

Ach ja, während der Kämmerer dem Rat immer wieder das Gespenst der drohenden Überschuldung an die Wand malt, wird eben dieser Haushalt in Zukunft durch den Verzicht auf die Strabs weiter belastet. Über die Angemessenheit dieser Maßnahme lässt sich trefflich streiten.

Und sonst so?

Nun, wir streichen den Projekten, die unsere Zukunft sichern und gestalten sollen die Mittel zusammen und beharren gleichzeitig darauf, verzichtbare und teure Vorhaben umzusetzen.

Beispiele?

  • Im für die Digitalisierung zunehmend wichtigen Fachdienst 11 werden Stellenstreichungen vorgenommen. Letzten Endes zugunsten der Einrichtung einer Verkehrsschilderaufstellbehörde, oder untere Straßenverkehrsbehörde. Allein die Personalkosten schlagen in Zukunft mit jährlich 100.000 EUR zu, und die Raumnot der Verwaltung wird weiter erhöht. Dem gegenüber steht ein budgetiertes Gebührenaufkommen in Höhe von 21.000 EUR.
  • Wir streichen dem Smart City Projekt bis 2026 nahezu alle Mittel und lassen damit wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Stadt gar nicht erst entstehen.
  • Wir bauen einen länger werdenden Sanierungsstau auf, indem wir seit Jahren drängende Themen wie den Bau einer 3-Felder-Halle, oder die energetische Gebäudesanierung immer weiter in die Zukunft verschieben.
  • Wir leisten uns den Betrieb von zwei Frischküchen an MCG und OBS, obwohl es mit dem Bau der Zentralmensa und aufgrund des nicht vorhandenen pädagogischen Konzepts am MCG dafür keine Rechtfertigung gibt.

Schließen möchte ich mit dem Thema Bildung und Jugend.

Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen: Die Sanierung und der Neubau unserer Schulen schreiten voran, die Calenberger Musikschule erhält eine anteilige Aufstockung der Mittel. Beides erforderlich und erfreulich!

Der neuste Vorschlag der Verwaltung eine dritte, zweizügige Grundschule in die OBS einzugliedern kommt überraschend, ist aber interessant.

Zwar erscheint mir die Errichtung einer zweizügigen Grundschule in Leveste, für die Kinder aus den nördlichen Ortschaften plus Redderse, alternativ dazu sehr attraktiv, aber um Druck von den städtischen Finanzen zu nehmen und die OBS als weiterführende Schule auch in Zukunft mit ausreichenden Schülerzahlen zu erhalten, ist das eine vorstellbare Möglichkeit.

Allerdings, und das ist die Kehrseite der Medaille, werden durch die Grundschule dringend benötigte Räume für die Integration einer gymnasialen Oberstufe an der OBS belegt und eine solche Perspektive damit bis auf weiteres blockiert. So verhindert das aktuelle Spardiktat eine interessante Chance der Ortsteilentwicklung und zwingt die meisten Schulabgänger der OBS mit erweitertem Sekundar-1 Abschluss zum Besuch gymnasialer Oberstufen außerhalb des Stadtgebietes.

Auch bleibt bei mir ein schaler Beigeschmack zurück. Aus den Vorträgen einer ersten Informationsveranstaltung im Ausschuss Bildung Erziehung und Betreuung in diesem Monat, bereits nach wenigen Tagen die Lösung für die Grundschulen ab dem kommenden Schuljahr 2022/23 zu präsentieren ist ein wahres Husarenstück. Hier prescht die Verwaltung ohne eine einzige Minute politischer Debatte und Willensbildung sehr weit vor.

Was bei der gestrigen Demonstration den Eltern als Lösungen präsentiert wurde, vermittelt den Eindruck von Aktivismus und Konzeptionslosigkeit. Anstatt die Zeit seit der ersten Elterndemo im Sommer zu nutzen. Anstatt gemeinsam mit dem Runden Tisch die Entwicklung einer für alle bedarfsgerechten Lösung voranzutreiben, diese zu budgetieren und in den Gremien zu diskutieren, wird die Politik nun in eine Situation gebracht, dass ein Hinterfragen kaum noch möglich ist, wenn man nicht als Verhinderer gebrandmarkt werden will.

Bei allem Verständnis für haushälterische Bedürfnisse, aber das ist das Gegenteil einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung.

Gibt es einen Lichtblick in diesem Haushalt? JA!

Mit der Bereitstellung der Mittel für eine Outdoor-Anlage können wir ein drängendes und gesellschaftlich wichtiges Thema angehen. Wir haben endlich die Chance Jugendlichen und Heranwachsenden einen Ort zu geben, der ihnen als Treffpunkt dienen kann. Den in der Corona-Pandemie stärker zu Tage getretenen Themen und Konflikten kann so wirksam begegnet werden.

Bereits morgen werden wir ein erstes Treffen dazu mit den meisten Interessengruppen haben, um Ausschuss und Verwaltung zügig einen sehr guten Vorschlag vorstellen zu können.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrter Herr Erster Stadtrat,

sehr geehrte Abgeordnete des Rats,

sehr geehrte Damen und Herren,

zusätzlich zu den vorgenannten, sehr lokalen Themen ist festzuhalten, dass der vorliegende Haushalt DIE zentrale Menschheitsherausforderung dieses Jahrzehnts komplett ignoriert.

Nur wenn wir auf allen Ebenen sofort und konsequent agieren, wenn wir die sich aus dem Klimawandel ergebende Notwendigkeit die städtischen Liegenschaften und Institutionen schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umzustellen, sowie einen nachhaltigen, oder zumindest energiesparenden Betrieb sicherstellen, haben wir als Rat und Verwaltung dieser Stadt die Chance, unserer Verantwortung zum Erreichen der Pariser Klimaziele gerecht zu werden. Mit diesem Haushalt tun wir das nicht

In der Abwägung der Chancen und Versäumnisse, die der vorliegende Haushaltsentwurf bietet kommt meine Fraktion zu dem eindeutigen Ergebnis, dass wir diesem Haushaltsentwurf nicht zustimmen werden.

Das soll uns aber selbstverständlich nicht hindern, allen die tagtäglich am Gelingen des Zusammenlebens in unserer Stadt beitragen zu Danken.

Vielen Dank.

Ein Kommentar

  1. Pingback: Die Haushaltsrede, die nie gehalten wurde - Stadtrat Stephan aus Gehrden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert